Regisseur Michael Hudecek über den Film:

michaelhudecekIch dachte gerade über die Möglichkeit nach, einen Film zum Thema Demokratie zu machen, als mir der Schriftsteller Heinz Rudolf Unger von seiner Mitarbeit an dem neuen Projekt des basisdemokratisch organisierten, politischen Chors „Gegenstimmen“ erzählte und meinte: „Na, das wär doch was – oder?“

Zu dem Zeitpunkt hatte der Chor schon über zwei Jahre an dem Projekt gearbeitet, Bärbel Mende-Danneberg, Alfred Komarek und Heinz Unger hatten bereits einige Liedtexte beigesteuert und der musikalische Leiter des Chors Erke Duit war gerade dabei, die Musik zu komponieren. Ein Programm zum Thema Widerstand sollte entstehen.

Beim ersten Dreh beobachtete ich die so genannte „Lafrizi“-Gruppe – die Projektgruppe für langfristige Ziele – bei Ihrer Diskussion über Programminhalt, Projektdurchführung und über die Frage, wer die Regie übernehmen sollte, ob Frau oder Mann und ob es überhaupt eine Regie bräuchte. Ich lernte Menschen kennen, die mit großer Ernsthaftigkeit und doch auch Humor um das Entstehen des für diesen Chor bisher anspruchsvollsten Projektes rangen. Die Meinungen in den Diskussionen waren alles andere als einhellig – und trotzdem: Es ging was weiter. Pläne wurden geschmiedet und Entscheidungen getroffen. Das war faszinierend zu sehen und begann mich zu interessieren. Wer sind diese Menschen, die ihre Freizeit damit verbringen Widerstandslieder zu singen? Wie ticken die? Wo kommen sie her? Und wie wird das funktionieren? Also entschloss ich mich, dieses Projekt filmisch zu begleiten.

Zwei Versuche, für das Filmprojekt Förderungen beim BMUKK zu lukrieren, scheiterten und so war die mir angebotene Mithilfe von Freunden und Filmstudierenden die einzige Chance, dieses Filmprojekt – mit nahezu Null Budget – durchzuziehen. Dafür großen Dank!

Als nächstes fand das Chorproben-Wochenende im Waldviertel statt, bei dem Erke erstmals die Noten austeilte und der Vorstand dem Chor das „fertige“ Projekt vorstellte. Daraufhin gingen die Diskussionen – nun in deutlich größerer Runde – im Plenum der Vollversammlung des Chores weiter. Es wurde immer spannender und ich lernte zirka fünfzig Menschen kennen, die aus unterschiedlichen Motivationen beim Chor mitmachten und sich darum bemühten, eine gemeinsame Aussage zu machen. Was sie jedenfalls durch diesen Prozess trug und verband, war das gemeinsame Singen.

Es war von Anfang an meine Intention, die Themen Musik und Gesang mit dem großen Thema Demokratie zusammenzuführen. Der Chor ist für mich ein geniales Abbild einer Gesellschaft, die versucht, demokratisch – ja sogar basisdemokratisch – Entscheidungen zu treffen, die von allen mitgetragen werden können und auch Früchte tragen. Dies mündete schließlich nach einem weiteren Probe- und Diskussionsjahr in die Uraufführung des Programms im Konzerthaus, gemeinsam mit dem Orchester Camerata Wien – ebenfalls unter der Leitung von Erke Duit.

Wir haben sehr viel Zeit mit dem Schnitt des Filmes verbracht, da die unterschiedlichen Ebenen viele Möglichkeiten offen lassen – zuletzt aber doch nur eine davon stimmig scheint. Diese Filmkonstruktion und den richtigen Rhythmus zu finden war ein langer Weg. Folgen wir der Dramaturgie des Konzertprogramms vom Träumen über das Aufwachen bis zum Handeln bzw. vom Soundcheck über den Auftritt bis zum Schlussapplaus? Folgen wir der Chronologie der Projektentstehung? Oder geht es doch ganz anders? Wie lässt sich dies alles verbinden? Letztlich hat sich das herausgeformt, was nun als der Film „Stimmen, Stimmen, Gegenstimmen“ auf die Leinwand kommt. Ich möchte es einen politischen Musikfilm nennen.